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Samstagmittag. Seit Wochen wieder ein sonniger Tag. Keine Wolke am Himmel. Einer Ameisenstraße gleich bahnt sich der Menschenstrom über die Gehwege. Kein Platz für Ungeduldige, kein schnelles Vorwärtskommen, der Einzelne existiert nicht. Samstagmittag auf einer Wiener Einkaufsstraße. Ein Alptraum.
Just für diesen Tag will sich ein Wiener Pärchen den lang gehegten Wunsch nach einem Fernseher erfüllen. Groß sollte er sein, flach, mit allem Bibabo - WM-tauglich eben. Den jungen Mann und seine Freundin, bereit, an Geld nicht zu geizen, zieht es zum größten Elektrohändler der Straße. Begleitet von Bruno (Name von der Redaktion geändert), einer Dogge, in stattlichem Alter, reinrassig, kalbsgroß.
Ob Zufall, Bestimmung, eine Folge des beschwerlichen Aufstiegs über die Rolltreppen oder nur eine Laune der Natur, wird ein Rätsel bleiben. Fest steht, dass - eben im Geschäft angekommen - Bruno sein Leben ohne viel Aufsehens aushauchte. Adel verpflichtet, Adel vernichtet. Samstagmittag, zwischen Kaffeeautomaten und Spülmaschinen.
Die Aufregung ist groß. Was tun mit dem toten Tier? Das Pärchen, sich dem verblichenen Vierbeiner gegenüber bewusst, gibt seine Einkaufspläne umgehend auf. Bruno, der innerhalb kürzester Zeit, jegliche Aufmerksamkeit von Schaulustigen und Tierfreunden auf sich zieht, muss entfernt werden. Ohne zu zögern, greifen sich die Besitzer seine Beine und schicken sich an, das Geschäft zu verlassen. Ohne überhaupt ein Fernsehgerät gesehen zu haben. Samstagmittag mit einer Tierleiche durch den Haupteingang?
Aussichtslos.
Die Angestellten schütteln den Kopf, wehren ab. Im Nu ist ein Karton gefunden. Die leere Verpackung ist gerade groß genug, Brunos alten Körper zu fassen. Ein provisorischer Sarg. Ironie des Schicksals? Die Oberfläche ziert die Abbildung eines Flachbildschirms. Einmal verpackt, lässt nichts auf den jetzigen Inhalt schließen. Ein Mitarbeiter, sommersprossig und mit rötlichem Haar, hilft, das tote Tier auf die belebte Straße zu schleppen. Eine nette Geste, wenn auch nicht ganz uneigennützig. Dann eilt er in die Verkaufshallen zurück. Das Pärchen setzt zu Dankesworten an, hetzt ihm nach. Zwei Minuten ist Bruno allein. Zeit, dreißig Mal an einem Eis zu schlecken, im chaotischen Innenleben einer Handtasche Zigaretten zu finden, mit der Bankomatkarte zu zahlen und sich einmal bei der Code-Eingabe zu vertippen.
Zeit, den Karton mit dem vermeintlichen Flachbildschirm zu klauen.
Samstagmittag. Die Diebe werden Augen gemacht haben. Ein Königreich für ihre Gesichter. Dir Bruno: Schlaf gut. Im Himmelreich.
Edit: Diese Geschichte ist natürlich frei erfunden und zählt zu den sogenannten Urban-Legends - Aber ich finde sie so nett erzählt, dass ich Euch daran teilhaben lassen wollte.