Von Felix "Sony Fanboy??" Knoke
Mit großem Tamtam ruft Microsoft jedes Jahr Journalisten aus aller Welt zur hauseigenen Produktmesse. Dieses Jahr stand das Spektakel im Zeichen der neuen Xbox 360. Doch statt Ahs und Ohs gab es enttäuschte Gesichter und Ratlosigkeit. Sieht die Zukunft der Konsolen so unspektakulär aus?
Spiel "Kameo": Effekte ohne Charme
Wenn Sony, Nintendo oder Microsoft die neue Generation ihrer Konsolen ankündigen, dann sind die Erwartungen hoch. Da geht es nicht um etwas bessere Grafik, etwas neuartigere Spiele oder sanfte Fortschritte. Jede neue Konsolengenerationen soll die Revolution bringen. Microsoft gibt auch eine Kehrtwende vor - die Xbox 360, so viel wurde auf der X05 in Amsterdam klar, nimmt sich im Vergleich zur Konkurrenz aber recht unspektakulär aus.
Es war vor allem jener Moment der ersten Präsentation, der den restlichen Abend bestimmte. Mit "Perfect Dark Zero" wollte Microsoft das Publikum schon ganz zu Anfang herumkriegen. Bereits im Vorfeld haben Trailer und Bilder aus dem Spiel die Fachpresse heiß gemacht. Doch nach der kurzen Live-Präsentation des Shooters gab es keinen Applaus sondern überall Enttäuschung - einen konventionellen Shooter bekam man da serviert, der nicht einmal technisch beeindrucken konnte. Innovation sieht anders aus.
XBOX 360: SPIELE FÜR DIE NÄCHSTE GENERATION
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Selbst die erwartungsvollsten Fans unter den Journalisten waren verdutzt. Das soll es jetzt gewesen sein? Was ist mit der viel besungenen Grafikpower der Konsole, wo der revolutionäre Spielansatz? Auch sonst riss das Launch-Lineup kaum jemanden vom Hocker. Wenig Innovation, viele Fortsetzungen. Und selbst die Publikumslieblinge von Rare, einem Entwicklerstudio mit Legendenstatus, scheiterten mit dem heiß erwarteten "Kameo" an den Erwartungen des Publikums. Zwar war das Spiel bunt und effektreich - aber ohne Charme, wie auch für die meisten anderen vorgestellten Spiele.
"King Kong" wird es richten müssen
Punkten konnte hingegen "Gears of War", ein düsterer und äußerst gewalttätiger Shooter, und "Peter Jackson's King Kong". Letzteres zeigte dann erstmals und völlig überraschend, wie technischer Fortschritt tatsächlich zu einem intensiveren Spielerlebnis beitragen kann. Die riesigen Dinosaurier, das Licht durchflutete Urwaldgestrüpp und ein stark behaarter Affe waren heimliche Renner der Messe.
Die fertige Xbox 360 kommt leicht geschwungen und weiß daher, der Controller ist weit handlicher als das Ungetüm des Vorgängers. Ein ganz klein wenig Innovation gibt's außerdem beim "Dashboard", der Benutzeroberfläche der Konsole. Spieler legen ein Profil von sich an, das den Fortschritt in einzelnen Spielen abspeichert und mit Punkten honoriert. Die lassen sich online vergleichen. Denn standardmäßig ist die Xbox 360 ans Netz angeschlossen, jedes Spiel muss grundlegende Netzwerkfähigkeiten bieten, das schreibt Microsoft den Entwicklern vor.
Wer im Multiplayerspiel negativ auffällt, kann durch ein Credit-System wie bei Ebay oder Amazon für andere Spieler als Störenfried gebrandmarkt werden. "Zwei Prozent Störer reichen aus, um eine Onlinewelt zu zerstören", berichtet Boris Schneider-Johne, Produktmanager bei Microsoft. Das individuelle Spielglück will Microsoft aber unbedingt sicher stellen. Unflätigkeiten und nervende Mitspieler haben vielen Nutzern den Online-Service XboxLive! vor allem Neuzugängen verleidet. Aber um genau die geht es. Deswegen gibt's auf der Xbox 360 nun neben aufgedrehter Alien-Jagd und lauten Wettrennen auch kleine Zwischendurch-Spiele á la Tetris, die übers Netz heruntergeladen werden können.
Anschlussbereit aber mit Hardware-Hürden
Überhaupt standen die Anschlussfähigkeiten offenbar weit oben auf Microsofts Liste. Sogar den iPod und die Portable Playstation (PSP) vom Konkurrenten Sony kann man an die Xbox 360 anschließen und Bilder, MP3s und Videos über TV anschauen.
Doch wahre Mediacenter-Qualitäten gibt es noch nicht. "Wenn die Konsumenten das wollen, bekommen sie das auch. Das ist dann ein reiner Software-Vorgang", so Schneider-Johne. Was das aber auch bedeutet: Wenn die Xbox 360 per Internet upgedatet werden kann, dann können das auch die Spiele. Im besten Fall heißt das zum Beispiel neue Strecken, Fahrzeuge oder ganze Spiele. Im schlechtesten Fall aber beginnt nun auch auf der Konsole die Flickschusterei, die PC-Spieler schon seit Jahren mit den nervigen Patches, Programmverbesserungen zum Herunterladen, erleben.
Doch es besteht Hoffnung: Neben der regulären Xbox 360 wird es auch Version ohne Festplatte geben, die Spiele müssen auch auf dieser Plattform fehlerfrei laufen. Wenn sie überhaupt laufen. Einige erweiterte Online-Fähigkeiten machen ohne Festplatte keinen Sinn, viele Spiele werden ohne Festplatte erst gar nicht starten. Ein Sticker "Braucht Festplatte" wird wohl darauf hinweisen.
Es gibt aber noch andere Hardware-Hindernisse. Wer keinen 16:9 (idealerweise HDTV-) Fernseher hat, der muss bei manchen Spielen mit schwarzen Balken am oberen und unteren Bildschirmrand rechnen. Denn 16:9 müssen die Spiele auf Microsofts Geheiß unterstützen. Das weiter verbreitete 4:3-Format ist nur optional. Ähnlich sieht es mit dem hochauflösenden HDTV-Standard aus. Doch technische Daten hin oder her: Den Erfolg einer Konsole machen vor allem die Spiele aus. Und da müssen letztendlich die Entwickler zeigen, was wirklich in der Xbox 360 steckt. Nicht dass sich nachher jemand wundert, dass man nach einer 360-Grad-Drehung noch in dieselbe Richtung schaut.
[URL=http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,378556,00.html]Quelle[/URL]