Peter Molyneux weiß, wie man gute Spiele macht. Der Kreativ-Kopf ist verantwortlich für Meilensteine der 16-Bit-Ära wie Populous oder später das umstrittene Black & White. Genauso weiß er aber auch, wie er die PR-Trommel für seine Produkte zu rühren hat. Der Testversion zu Fable 2 lag ein Schreiben an alle Spiele-Journalisten bei, im dem er darum bittet, das Xbox 360-Rollenspiel unbedingt von Leuten rezensieren zu lassen, die sonst nicht spielen, denn eben für diese Zielgruppe sei es konzipiert worden. Diesen Gefallen haben wir Molyneux natürlich nicht getan. Und sind nach Durchspielen des Abenteuer-Epos sowieso ganz anderer Meinung: Fable 2 ist ein liebevoll designtes Spiel mit etlichen tollen Einfällen, die nur echte Zocker zu schätzen wissen. Und mit kleinen Ungereimtheiten, die jeden Nicht-Spieler zur Verzweiflung bringen würden.
Abenteuer Leben
500 Jahre nach den Geschehnissen in Fable schlüpft ihr in Fable 2 in die Kluft eines wahlweise weiblichen oder männlichen Helden, der den Tod seiner Schwester, verschuldet vom Tyrannen Lucien, rächen will. Dazu benötigt ihr die Hilfe der drei letzen verbliebenden Heroen des Fantasy-Reiches Albion. Wie im Vorgänger beginnt das Spiel in der Kindheit des Protagonisten, die das Tutorial darstellt und euch in gut zwei Stunden alle Steuerungskniffe erklärt. Anschließend zieht ihr als junger Erwachsener los und steht vor einem ganzen Helden-Leben. Viel geändert hat sich an der Spielmechanik nicht: Nach wie vor steuert ihr eure Figur aus der Verfolgerperspektive durch das grafisch bezaubernde Albion, bekämpft in Echtzeit per Nah- und Fernkampfwaffen sowie mit bis zu fünf Zaubersprüchen gleichzeitig jede Menge angriffslustige Feinde und erledigt zahleiche Quests, die euch die Einwohner zuteilen.
Neben der Hauptquest, die euch 15 bis 20 Stunden unterhält, locken zahlreiche Nebenmissionen und Beschäftigungsmöglichkeiten (siehe Kasten) sowie ein Endlosspiel, denn nach dem Sieg über Obermotz Lucien ist noch lange nicht Schluss. Einige Quests öffnen sich erst nach dem Durchspielen, und was ihr dann macht, liegt ganz bei euch. Ihr könnt euch in Albion Häuser kaufen und auf Wunsch vermieten, eine Frau heiraten und Kinder in die Welt setzen. Alle diese Dinge kosten natürlich Geld, das ihr euch zu Beginn in endlosen Simpel-Minispielen der Marke »Drück bei der grünen Markierung« verdienen müsst. Das nervt vor allem zu Beginn, später könnt ihr dann ganz gut von den Mieteinnahmen eurer Besitztümer leben. Immerhin: Sogar der Kauf von Schlössern und Burgen ist möglich. Werdet Herrscher über ganz Albion und bestimmt selbst, ob ihr lieber ein gütiger Monarch oder ein fieser Diktator sein wollt!
Jenseits von gut und böse
Jede Aktion, ob gut oder böse, wirkt sich auf Gesinnung und Aussehen eures Charakters sowie dessen Ruf aus. Ständig steht ihr vor Gewissensentscheidungen: Verpfeife ich einen Dieb oder helfe ich ihm? Befreie ich gefangene Sklaven oder lasse sie in ihrem Käfig schmoren? Der Humor kommt dabei nicht zu kurz: In einer Quest möchte beispielsweise die Sekte der Schattenanbeter, dass ihr in deren Tempel Dorfbewohner opfert. Zur Belohnung winken Gold und seltene Waffen. Gute Charaktere lehnen diese Mission dankend ab, während diabolische Naturen ins Dorf eilen und einige Leute überreden, ihnen zu folgen. Dies bewerkstelligt ihr anhand etlicher Ausdrucksmittel in den Bereichen »sozial«, »spaßig«, »kokett« und »furchterregend«. Von angeberischen Heldenposen über Luftküsse bis hin zu Tanzeinlagen, Furz- oder Rülpsattacken reicht das Interaktions-Repertoire. Notfalls steigert ihr eure Beliebtheit mit einem netten Geschenk, bis ihr eure Gegenüber soweit habt, dass sie euch gedankenlos folgen und ihr die Ahnungslosen in den Tod führen könnt.
Die Quest-Qualität schwankt von simplen Kurierjobs bis hin zu kniffligeren Aufgaben, in denen ihr beispielsweise eine Höhle von vorwitzigen Hobbs säubern, den Kapitän eines Geisterschiffs ausschalten, oder für eine Archäologin alte Artefakte finden sollt. Die Spielwelt ist zwar sehr groß, allerdings nicht so in sich geschlossen wie etwa in Oblivion. Dank Schnellreisefunktion gelangt ihr auf Knopfdruck zum gewünschten Ort, müsst dann aber lange Ladezeiten hinnehmen. Wenig komfortabel finden wir zudem die Menüführung: Um Quests, Fertigkeiten oder Gegenstände anzuwählen, sind viele mühsame Klicks notwendig.
Auf den Hund gekommen
Das Kampfsystem wurde vom Vorgänger nahezu unverändert übernommen und setzt auf actionreiche Echtzeigefechte. Sind diese zu Beginn von wildem Button-Gehämmere geprägt, erlernt ihr mit zunehmender Kampferfahrung immer neue Techniken und Zaubersprüche hinzu und könnt variantenreich agieren. Ob effektive Kombos, blitzschnelle Konter oder gar gezieltes Anvisieren bestimmter Körperteile eures Gegners per Pistole -- die Kämpfe bieten viel Abwechslung.
Allerdings laufen sie oftmals etwas chaotisch ab, da die Kamera eure Figur nicht immer optimal in Szene setzt. Eine wichtige Neuerung ist die Einführung eines tierischen Begleiters: Von Anfang an begleitet euch ein treuer Hund, der euch im Kampf unterstützt und euch auf Erkundungstouren zeigt, wo geheime Schätze vergraben sind. Ihr könnt den Vierbeiner loben oder bestrafen und ihm sogar Tricks beibringen. Die lernt er durch Bücher aus dem Buchladen, die ihn auch im Schatzsuchen oder Kämpfen trainieren. Das macht den Köter zu einer echten Hilfe, zumal die gefundenen Schätze oft hochwertig sind.
Technisch schwankt Fable 2 zwischen Durchschnitt und Traum. Gerade die Tag- und Nachtwechsel sowie manche Umgebungen wirken fantastisch. Dem gegenüber stehen aber oft hölzerne Animationen sowie etwas misslungene Effekte, etwa wenn der Held ins Wasser hüpft. Außerdem ist oft deutlich zu sehen, wie Texturen nachgeladen werden. Die Musik ist zwar fantastisch komponiert, kommt aber viel zu selten zum Einsatz. Lobenswert: Die deutsche Synchronisation ist sehr gut gelungen!
Ja, Fable 2 ist nicht perfekt: Die Kamera zickt rum, die Menüs sind überladen, die Zauberanwahl könnte komfortabler sein, die langen Ladezeiten schlauchen. Trotzdem macht mir Molyneux‘ neues Werk einen Riesenspaß! Die zauberhafte Spielwelt mit ihren schier unendlichen Möglichkeiten, die Bilderbuchgrafik, die kurzweiligen Kämpfe, die abwechslungsreichen Quests und die große Liebe zum Detail können Fantasy-Fans einfach nicht kalt lassen. Und der Hund ist eine geniale Idee! 10/10
Mal gut, mal böse: Benedikt